Bericht des Richters zu 61. Speziale BSB
Kurzer Bericht aus Sicht des Richters zu unserer 61. Spezial-Rassehundaustellung des
BSB in Bayreuth am 27.04.2024 und allgemein zur Zucht (Richter: Angelo Steccanella (CHE))
Kurzer Bericht aus der Sicht des Richters
Ich bedanke mich beim Verein «Belgische Schäferhunde Berlin e.v.) für die Einladung zur 61. Spezial Rassehunde Ausstellung in Bayreuth und für die außerordentlich gute Organisation der Ausstellung. Ein besonderer Dank geht natürlich auch an alle Aussteller für ihre Geduld und ihr sehr faires Verhalten während der Veranstaltung.
Zunächst möchte ich einige Präsentationsfehler ansprechen, die mir aufgefallen sind, und Ihnen erklären, wie Sie diese verbessern können. Anschließend werde ich allgemeine Beobachtungen zu den vorgestellten Hunden erläutern.
Allgemeines zu Ausstellungen:
Sie können davon ausgehen, dass jeder Richter Ihnen und Ihrem Hund wohlgesonnen ist. Daher gibt es keinen Grund, nervös oder aufgeregt zu sein. Lassen Sie sich nicht hetzen, bleiben Sie ruhig und vermitteln Sie diese Ruhe und Sicherheit auch Ihrem Hund. Gerade junge und unerfahrene Hunde benötigen oft diese Unterstützung vom Hundeführer. Sie und Ihr Hund sind ein Team, das gemeinsam mehr erreicht als jeder alleine.
Als Hundeführerin fällt es Ihnen leichter, gelassen zu bleiben und Ruhe sowie Sicherheit auszustrahlen, wenn Sie genau wissen, wie der Ablauf im Ring ist und Sie bereits Grundlegendes mit Ihrem Hund geübt haben. Die meisten Richter beurteilen die Hunde stets nach dem gleichen Ablauf, den ich Ihnen im Folgenden erläutere. Es kann jedoch Abweichungen geben, daher beobachten Sie die Teams vor Ihnen im Ring und achten Sie darauf, was der Richter von diesen verlangt.
Ablauf im Ring:
- Begrüßung, Zahn- und Hodenkontrolle
Zuerst wird der Richter Sie und Ihren Hund begrüßen, nach dem Alter fragen und eventuell weitere Informationen (z.B. Arbeitsprüfungen) erfragen. Dann kontrolliert er den Zahnstatus und bei den Rüden die Hoden.
Das "Zähne zeigen" war für einige Aussteller stressig und hat sich auf die Hunde übertragen. Einige geraten dann in eine leicht erklärbare Stressspirale, in der sie vieles falsch machen und die Situation verschlimmern, indem sie beispielsweise versuchen, den Hund mit physischem und psychischem Druck dazu zu bringen, sich das Manipulieren am Fang gefallen zu lassen. Das ist unnötig und nicht zielführend. Für das "Zähne zeigen" reicht es vollkommen aus, die Lefzen leicht anzuheben, sodass die Zähne sichtbar werden. Die kleinen Molaren (M3) muss der Richter nicht sehen, da sie gemäß Standard nicht bewertet werden.
Sie tun sich und Ihrem Hund einen Gefallen, wenn Sie das "Zähne zeigen" zu Hause in Ruhe und Gelassenheit üben und es auf dem Trainingsplatz mit Fremdpersonen üben, bis es für Ihren Hund eine selbstverständliche Prozedur ist.
- Formwertbeurteilung
Wenn Sie an der Reihe sind, sollte Ihr Hund ruhig und aufmerksam an dem vom Richter zugewiesenen Platz stehen, so dass der Richter ihn von der Seite betrachten kann. Auch diese Position lässt sich üben, zum Beispiel unter Zuhilfenahme von Leckerlis.
Wenn mehrere Hunde in derselben Gruppe beurteilt werden, bedeutet das, dass Sie am Rand des Rings warten müssen, bis Sie an der Reihe sind oder bis der Richter die Einzelwertungen der nach Ihnen kommenden Hunde vorgenommen hat. Denken Sie daran, dass der Richter immer noch beurteilt und ab und zu einen Blick auf die seitlich stehenden Hunde wirft. Wenn Ihr Hund dann lustlos herumsteht oder sich hinlegt, ist das nicht vorteilhaft. Profihändler, die mit Ausstellungserfolgen ihr Geld verdienen, achten darauf, dass sich der Hund im Ring zu jeder Zeit vorteilhaft präsentiert.
- Gangwerkbeurteilung
Hunde sind Laufraubtiere aus der Familie der Caniden, wie die Wölfe. Diese können in einer Nacht bis zu 50 km zurücklegen. Auch Schäferhunde sollten dazu in der Lage sein, dazu müssen sie gesund sein und fehlerfreie Bewegungsabläufe haben. Hunde haben vier Gangarten: Schritt, Passgang, Trab und Galopp. Für die Gangwerkbeurteilung eignet sich nur der Trab.
Die meisten Richter beurteilen dies, indem sie Hund und Hundeführerin in einem Dreieck laufen lassen. Dadurch können die Bewegungsabläufe von hinten, seitlich und von vorn betrachtet werden. Es ist wichtig, dass die Hundeführerin dieses Dreieck exakt läuft und nicht eine dreiecksähnliche Figur, und dass der Hund den Trab zeigt. Beides lässt sich trainieren, auch den Trabgang.
Ist mehr als ein Hund in einer Gruppe eingeteilt, lässt der Richter die Hunde im Kreis (gegen den Uhrzeigersinn) laufen. Auch dabei ist es wichtig, dass der Hund im Trab läuft. Die Hundeführerinnen sollten zudem darauf achten, nicht zu nah an das vorangehende Team heranzukommen, damit sich die Hunde nicht gegenseitig beim Laufen behindern.
All dies kann trainiert werden, und auf den Hundesportplätzen sollte dies stets möglich sein.
Allgemeine Beobachtungen zu den vorgestellten Hunden
Generell war das Niveau des Formwertes erfreulich hoch, was sich auch in den von mir vergebenen Formwertbeurteilungen widerspiegelte. Wenn ich im Folgenden spezifische Punkte hervorhebe, sollen diese als Hinweise verstanden werden, worauf züchterisch mehr Augenmerk gelegt werden könnte.
Die Beschreibung der Verwendung und Klassifikation im FCI-Standard Nr. 15 steht über allen danach folgenden Detailbeschreibungen. Sie lauten wie folgt:
"Verwendung: Ursprünglich Schäferhund, heute Gebrauchshund (Wachhund, Schutzhund, Fährtenhund usw.) sowie polyvalenter Diensthund und Familienhund. Klassifikation nach FCI: Gruppe 1, Hütehunde und Treibhunde – Sektion 1, Schäferhunde mit Arbeitsprüfung."
Dies bedeutet, dass Belgische Schäferhunde aufgrund ihrer Anatomie und Wesensveranlagung in der Lage sein müssen, den Anforderungen als Gebrauchs- und Familienhund zu genügen.
Nun zu meinen Beobachtungen:
Geschlechtsdimorphismus: Bei den beiden Langhaarvarietäten (Groenendael und Tervueren) fiel mir ein (zu) ausgeprägter Geschlechtsdimorphismus auf. Dieser auffällige Unterschied zwischen den Geschlechtern wurde vom Menschen geschaffen; in der Natur ist er nicht in dieser Deutlichkeit vorhanden. Viele Hündinnen schienen mir zu grazil, zu feingliedrig und hatten eine Widerristhöhe am unteren Standardlimit. Dadurch werden die Köpfe der Tiere sehr schmal und die Zähne sehr klein, was dem Standard eigentlich widerspricht, der große, kräftige Zähne in einem gut entwickelten Kiefer fordert. Untersuchungen von Schädeln Belgischer Schäferhunde, die bei der "Albert Heim Stiftung, Bern" deponiert sind, haben gezeigt, dass die Schädel bei Belgischen Schäferhunden seit den 1970er Jahren immer schmaler wurden und der Stopp immer weniger markiert ist. Hier müsste züchterisch gegengesteuert werden, da diese "Verzwergung" nur schwer rückgängig zu machen ist.
Verhalten: Mir sind Hunde aufgefallen, bei denen ich Zweifel habe, ob sie noch über die Wesensveranlagungen eines Gebrauchshundes verfügen. Ob dies am fehlenden Training, an Unterlassungen bei der Welpenförderung in der Zuchtstätte oder am Wesensgrundgefüge liegt, kann ich in der kurzen Zeit, in der ich die Hunde im Ring habe, nicht beurteilen. Unabhängig davon scheint es mir entscheidend zu sein, dass bei jeder Varietät darauf geachtet wird, dass den Eigenschaften eines Gebrauchshundes (Sicherheit, Arbeitsfreude, anatomische Voraussetzungen) in Zucht, Aufzucht und Haltung Sorge getragen wird. Generell haben sich jedoch viele der gezeigten Hunde durch ein ausgesprochen sicheres Verhalten ausgezeichnet.
Fellqualität und Farben: Die Fellqualität (Länge, Textur, Unterwolle) und die Fellfarben waren durchweg vorzüglich und gaben, trotz Fellwechselzeit, kaum Anlass zu Beanstandungen.
Fit for Life
Im Kontext der zunehmenden Diskussionen über "Qualzuchten" ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir unsere Rasse mit großer Sorgfalt behandeln. Fit for Life sollte dabei als Leitfaden dienen. Wir müssen gemeinsam gegen Übertypisierungen (zum Beispiel, je mehr Fell, desto besser) vorgehen. Es ist wichtig, wieder zu lernen, hohes Temperament von Nervosität zu unterscheiden. Die Führigkeit der Hunde (der Wille, im Team mit dem Menschen zu kooperieren) muss auch bei ausgeprägter Triebveranlagung erhalten bleiben. Und schließlich benötigen wir Hunde, die im Alltag uneingeschränkt tauglich sind und weder aufgrund von Ängstlichkeit noch Aggressivität eine Gefahr für andere Menschen darstellen.
In diesem Sinne freue ich mich auf ein Wiedersehen.